Hochprozentiger Genuss: Wie Whiskys, Obstbrände und ähnliche Köstlichkeiten entstehen
Deutschland ist ein Land der vielen Regularien. Jeder darf zuhause Bier brauen, darf Wein herstellen oder Liköre mit Reinalkohol ansetzen. Ab 15 Volumenprozent und wo eine Destillation ins Spiel kommt, kennt der Zoll jedoch kein Pardon: Branntweine oder Spirituosen dürfen nur von gemäß dem Alkoholsteuergesetz lizensierten Fachbetrieben gebrannt werden.

Für die Qualität ist das allerdings nicht die schlechteste Maßnahme. Denn um derart hochprozentige Köstlichkeiten herzustellen, braucht es viel Erfahrung und einiges an Technik.
Alles beginnt mit der Maische
Ganz ähnlich wie Weine und Sekt nicht zwingend aus vergorenen Trauben entstehen müssen, sondern eine Vielzahl von Früchten infragekommen, verhält es sich mit Spirituosen – hier sogar tatsächlich noch vielfältiger.
Prinzipiell lässt sich hier alles auf einen Grundsatz herunterbrechen:
Wenn es pflanzlich ist, dann kann es vergoren werden
Und damit sind bereits alle Grundlagen zum Herstellen einer Spirituose gelegt – wobei in der Praxis natürlich ausschließlich essbare Pflanzen und deren Bestandteile genutzt werden. Etwa so:
- Whiskys bestehen aus Getreide.
- Bourbon besteht (hauptsächlich) aus Mais.
- Obstbrände bestehen aus verschiedenen Früchten.
- Tequila besteht aus Agaven.
- Rum besteht aus Zuckerrohr.

Bei jedem anderen Brand sieht es ganz ähnlich aus. Der „König“ der vielfältigen Herstellbarkeit dürfte jedoch Wodka sein. Er kann zwischen Mais, Gerste und Kartoffeln aus dutzenden unterschiedlichen Pflanzen entstehen.
Doch die Grundlage für all das ist immer gleich: Um Alkohol zu destillieren, muss erst einmal Alkohol erzeugt werden. Das geschieht in der sogenannten Maische.
Dabei handelt es sich letztlich um die
- von allen unerwünschten Bestandteilen gesäuberten,
- absolut einwandfreien (ohne Schimmel und Ähnliches),
- zerkleinerten und
- je nach eigenem Wasseranteil mit Wasser versetzten Grundzutaten.
Je nachdem, ob die Gewächse Zucker oder Stärke beinhalten, müssen letztere noch durch Erhitzen im Wasserdampf und unter Hinzugabe von Malz ihre Stärke in Zucker umwandeln. Bei zuckerhaltigen Pflanzen kann dies unterbleiben.
Übrigens: In der Whiskyherstellung wird das Malz häufig über stark rauchenden Torffeuern getrocknet. Das ist der Grund für das torfige Aroma vieler Malt-Whiskys.
Diese Maische wird anschließend mit speziellen Hefen versetzt und für anderthalb bis drei Monate bei warmen Umgebungsbedingungen gelagert. Dabei läuft ein simpler biochemischer Prozess ab:
- Die Hefebakterien nutzen den Zucker quasi als Nahrungsmittel.
- Durch die Verwertung des Zuckers entstehen als „Abfallprodukte“ einerseits Alkohol, andererseits Kohlendioxid.
Dieser Vorgang sorgt zunächst für ein kräftiges Schäumen der Maische in den ersten Tagen – die Maischgefäße in den Brennereien sind deshalb so konstruiert, dass sie Kohlendioxid entweichen lassen, ohne jedoch Umgebungsluft hineinzulassen.
Übrigens: Was die Biochemie anbelangt, ist der Herstellungsprozess von Wein deckungsgleich. Beim Destillieren von Weinbrand dient er jedoch nur als Vorstufe.
Der Vorgang verläuft dabei so lange, wie die Hefebakterien Nahrung in Form von Zucker vorfinden. Gibt es in der Grundzutat zu wenig Zucker, kann dieser zusätzlich beigefügt werden – was bei Weinen übrigens verpönt ist.
Bloß: Die Hefe sorgt durch diese Umwandlung praktisch für ihren eigenen Tod. Je nach Art der Hefekultur sterben die Bakterien zwischen 5 und 23 Prozent Alkoholgehalt ab – das enthaltene Ethanol ist ein Zellgift.
In der Praxis verstehen sich Destillerien meisterlich darauf, ein wiederholgenau feinjustiertes Verhältnis von Zucker und Alkohol in der Maische herzustellen. Das heißt, man lässt die Hefekulturen üblicherweise nicht bloß sämtlichen Zucker konsumieren, sondern sorgt für genau so viel Zuckergehalt, dass beim Erreichen des benötigten Alkoholgehalts noch genügend Restzucker für den gewünschten Geschmack verbleibt.
Der Brennkessel: Das technische Herz des Genusses
Würde man die Maische filtern, könnte sie je nach Art der Grundzutaten durchaus als eigenes alkoholisches Getränk durchgehen – denken wir etwa an einen schönen Cidre aus Frankreich.
Doch obwohl solche Getränke, wie erwähnt, durchaus recht kräftige Alkoholvolumina enthalten können, handelt es sich nicht um Spirituosen beziehungsweise Branntweine.

Dafür braucht es den Brennkessel. In der professionellen Spirituosenproduktion handelt es sich dabei um hunderte bis tausende Liter fassende, beheizte Kessel. Diese wiederum sind mit verschiedenen Rohrleitungen für die Kondensation versehen – dabei wird sowohl mit Luft als auch Wasser gekühlt.
Der technische Hintergrund: Die Maische enthält
- nichtflüchtige und
- flüchtige Bestandteile.
Letztere teilen sich wiederum in Wasser und Alkohol auf – vornehmlich in Ethanol sowie das unvermeidbare Methanol.
Übrigens: Die Abbauprodukte von Methanol in der Leber (Ameisensäure und Formaldehyd) sind in größeren Mengen für den Körper giftig. Zwar wird beim Destillieren ein Großteil entfernt, je nach Art der Maische verbleibt jedoch ein unvermeidbarer Rest. Er ist hauptsächlich für Katerkopfschmerzen nach übermäßigem Genuss verantwortlich.
Der Brennkessel macht sich die Eigenschaft von Wasser und Alkohol zunutze, bei unterschiedlichen Temperaturen zu verdampfen. Die Maische wird also erhitzt. Der nun entstehende Dampf ist das große und überaus köstliche „gehaltvolle“ Geheimnis.
Das Brennen: Beschwören köstlicher Geister
Alles, was das Aroma einer Spirituose ausmacht, ist in der Maische gelöst – und sehr vieles davon ist nicht nur wasser-, sondern auch alkohollöslich. Diese wunderbare Eigenschaft machen sich die Brennmeister zunutze:

Die Maische wird, so wie sie ist (ohne Filtrierung) in den Brennkessel gegeben. Je nach Getränk werden noch weitere natürliche Bestandteile hinzugefügt. So wäre es beispielsweise bei einem knackigen Calvados denkbar, zusätzliche frische Äpfel in einen Aromakorb oberhalb der Maische zu geben – der Apfelgeschmack wäre dann intensiver.
Nun wird die Physik wirken gelassen. Die nochmals sorgfältig verrührte Maische wird erhitzt. Dann geschieht in Reihenfolge der Ereignisse folgendes:
- Das Methanol sowie ähnliche ungewünschten Alkoholbestandteile verdampfen zuerst. Der Dampf kondensiert in den Kühlrohren der Anlage und wird als sogenannter Vorlauf aufgefangen – und beispielsweise zu Brennspiritus weiterverarbeitet.
- Das Ethanol (der größte hier vorhandene Alkoholbestandteil) verdampft. Dabei handelt es sich um den konzentrierten „gewünschten“ Alkohol, der beim Vergären der Maische entstanden ist. Darin befinden sich sämtliche Aromabestandteile, die den späteren Drink ausmachen – gegebenenfalls um die beim Durchströmen des Aromakorb-Inhalts zusätzlich herausgelösten Noten.
Auch das Ethanol wird kondensiert und als Hauptlauf aufgefangen. Es ist schließlich das gewünschte Endprodukt. - Zuletzt verbleibt der sogenannte Nachlauf, also hauptsächlich Wasser. Zudem die nichtflüchtigen Bestandteile der Maische.
Wann welches Stadium erreicht wird, lässt sich über die Temperatur des aufsteigenden Dampfs sehr genau erkennen – dies liegt an den unterschiedlichen Verdampfungstemperaturen der in der Maische vorhandenen Flüssigkeiten.
Die nichtflüchtigen Bestandteile werden meist getrocknet. Sie können beispielsweise in Kraftwerken verbrannt oder zu Tierfutter weiterarbeitet werden.
Die Veredlung: Das Getränk entsteht
Natürlich könnte man vom Hauptlauf ein Gläschen auffangen und genießen. Allerdings wäre das eine ziemlich scharfe Erfahrung. Bis auf einige wenige Wassermoleküle handelt es sich schließlich um reinen Alkohol im hohen neunzigprozentigen Bereich.

Je nach Art der Spirituose wird nun folgendes getan:
- Mitunter werden Brände verschiedener „Serien“ vermischt, um geschmackliche Schwankungen auszugleichen. In kleinen Craft-Destillerien unterbleibt dies allerdings häufig, da hier wirklich einzigartige Drinks hergestellt werden.
- Bei mehrfach gebrannten Spirituosen (etwa Wodka oder Doppelkorn) wird der Hauptlauf nochmals in den Brennkessel gegeben und mindestens ein weiteres Mal gebrannt. Dabei entsteht ein noch reineres Getränk, das aber naturgemäß weniger Aromen enthält – hier findet sich neben einer umfassenden Filtrierung der Grund, warum der grundsätzlich mehrfach gebrannte Wodka einen so geringen Eigengeschmack hat und aus so vielen verschiedenen Zutaten gebrannt werden kann. Naturgemäß wird die erhaltene Flüssigkeitsmenge zudem mit jedem Brand weniger.
- Immer wird der Hauptlauf durch Zugabe von gefiltertem Wasser auf die gewünschte Trinkstärke gebracht.
Erst, wenn die Trinkstärke erreicht wurde, ist die Spirituose abzüglich etwaiger Veredelungen fertig. Je nach Getränk steht allerdings nun noch ein mehrmonatiger bis vieljähriger Reifeprozess an – etwa bei Whiskys, die teils jahrzehntelang in Holzfässern gelagert werden und erst dadurch ihre warme Farbe und eine aromatische Abrundung erfahren.
Brennen ist definitiv eine Kunst für sich. Aber wohl jeder Gentleman wird bestätigen: diese Kunst lohnt sich unbedingt.